Werkstattverfahren Sennestadt

Dezentrale Quartierszentren Vennhofallee und Rheinallee/Travestraße

Städtebauliche Einordnung

Stadtentwicklung ist Veränderungen und langen Zeiträumen unterworfen. Ein gutes Instrument, um gesellschaftliche Akzeptanz und dauerhafte Wertschätzung durch die Bevölkerung zu erzielen, ist das Mittel der Partizipation.

Unter Wahrung der Maßstäblichkeit und Kubatur des städtebaulichen Erbes der Sennestadtplaner, soll in einem zukunftsorientierten Sinne weitergebaut und der Bestand arrondiert werden. Flexibel nutzbare, moderne Gebäudestrukturen entstehen, um damit ein Angebot zu schaffen, welches Aneignungspotentiale bereithält.

In der Grundkonzeption sollen durch die Planung städtebauliche und freiraumplanerische Möglichkeitsräume geschaffen werden, die zusammen mit den Anliegern in einem Qualifizierten Prozess weiterentwickelt – sprich geschliffen und poliert – und so zu den Sennestadtperlen werden. In diesen Sennestadtperlen können unterschiedliche Nutzungen etabliert werden: Der Treffpunkt zum Boules-Spiel; der Spielplatz mit einem durch die Bürgerschaft miterarbeiteten Angebot; die kleine Blumeninsel, die durch eine Patenschaft der Anwohner gepflegt wird, oder der Gemüsegarten, in dem der anliegende Gemüsehändler mit seiner Nachbarschaft Nutzpflanzen zeigt.

Grün im Stadtraum

Die beiden Betrachtungsorte Vennhofallee und Rheinallee sind durch den zentralen Grünzug miteinander verbunden – diese Grünraumqualitäten sollen konzeptionell auch in den Quartierszentren spürbar und erlebbar sein.

Daher ist der Grundgedanke, dass die Quartierszentren entsiegelt und begrünt werden, um auch den Folgen des einsetzenden Klimawandels lebenswerte Orte für die Menschen zu schaffen. Gleichzeitig wird die Verkehrswende als zentraler Ansatzpunkt für eine Neugewichtung und -organisation des bestehenden Raumes genutzt: Im Bereich der Rheinallee wird der PKW – Verkehr aus der Platzfläche herausgenommen, während der Grünzug im Bereich der Vennhofallee die bestehende Straße in den Freiraum in Form eines „Shared Space“ integriert, so dass der Grünraum prägend für das Stadtteilzentrum werden kann.

Quartierszentrum Vennhofallee

Architektur

Der Neubau auf dem Gelände Combi-Markt und „Alten Post“, bestehend aus einem Sockelgeschoss und zwei fünf- bzw. dreigeschossig aufgesetzten Baukörpern in Holzständerbauweise, formuliert den Eingang zur Sennestadt neu. Durch eine Mischung aus Einzelhandel und Gastronomie im Sockelgeschoss, sowie Wohnen, Dienstleistung und nicht störendem Gewerbe in den aufgehenden Baukörpern, bildet sich ein einlebendiges Miteinander.

Im Bereich der Grundrisse besteht auch hier das Flexibilitätsprinzip. Erlebbar durch das Koppeln von Wohnen und Arbeiten. Das Angebot zur Raumvermehrung bietet besondere Potentiale zur Aufwertung kleiner Wohneinheiten, insbesondere auch im Altenwohnbereich und für Studierende. Ziel ist es, nicht den einen zentralen Treffpunkt zu schaffen, der von einer Gruppe angenommen wird, sondern vielmehr durch die Multicodierung des Quartierszentrums für jung und alt, groß und klein ein breites Angebot zu generieren.

Ein Perspektivischer Umgang mit einer „Reaktivierung“ der drei bestehenden Baukörper kann stufenweise getrennt entwickelt werden. Egal ob angebaut, aufgestockt oder erweitert wird, es entsteht jeweils eine funktional unabhängige, eigentumsrechtliche Einheit. Das Grundprinzip besteht aus einem separat gegründeten, aus Holz konstruiertem Skelett, welches im Erdgeschoss als überdachte Arkade in den Obergeschossen als erweiterter Balkon oder Loggia genutzt werden kann. In dieser vergleichsweise leichten Bauweise kann auch ein Geschoss zur Wohnnutzung mit einer begrünten Dachterrasse aufgestockt werden und zu einer Aufwertung der Immobilie führen.

Freiraum

Entlang der Vennhofallee gliedern die Sennestadtperlen den Straßenraum und zeigen schon im Übergang zur Hans-Christian-Andersen-Schule an, dass der Stadtraum aufgewertet und neu strukturiert wird. Ab der Kreuzung Rheinallee wird der Straßenraum grundhaft umgestaltet und flankiert die Sennestadtperlen mit einem für Fußgänger und Radfahrer attraktiven Raum. Im Bereich des Übergangs zwischen Plateau und Sennestadtring entsteht ein differenziert gestalteter Freiraum mit Aufenthaltsmöglichkeiten: Die Freiraumelemente sind teilweise mit Sitzkanten, die die Kommunikation fördern, ausgestattet. Bestandsbäume werden erhalten und die bestehende Versiegelung möglichst großräumig entfernt. Auf dem oberen Platzniveau wird ein Baumhain und ein baumüberstandener Cafégarten positioniert, der bestehende Höhenunterschied im Süden wird über sanft geneigte Rampen abgefangen.

Den südlichen Auftakt zum neuen Quartier prägt eine Fontänen-Wasserspielfläche, die möglich wird, da die Verkehrsanlagen optimiert gestaltet werden: Die Stadtbahnhaltestelle wird westlich verschoben, so dass eine unaufgeregte und maßstabsgerechte Anbindung der Südstadt möglich wird. Die Bushaltestelle gliedert sich direkt an die Stadtbahn an, so dass ein Verkehrsfreier Raum als Auftakt für das Quartierszentrum entsteht. Die Stellplätze und die Anlieferung des Nahversorgers sind im Gebäudeinneren organisiert.

Ein Baumhain über einer wassergebunden befestigten Fläche lädt zum Boulesspiel ein, im Übergang zu Nahversorgungszentrum und Restaurant gliedert sich ein Spielplatz an, während eine weitere Fläche für Trendsportarten zur Verfügung steht.

Im Übergang zum Stadtteich werden durch Sitzsteine in der Böschung Aufenthaltsflächen für Publikum der neuen Seebühne geschaffen – ein Element, das durch die Bevölkerung zum Austritt auf das Wasser genutzt werden kann, oder bei Veranstaltungen mit kulturellem Angebot bespielt wird.

Im Westen wird der Durchgang zur Kita geöffnet und autofrei umgestaltet. Die Straße Jadeweg wird zu einer Sackgasse, so dass es keine „Schleichverkehre“ gibt.

Der durchgrünte Raum auf dem Nahversorger steht den Bewohnern der neuen Gebäude als Gartenfläche mit einem differenzierten Nutzungsangebot zur Verfügung. Das Plateau bietet durch seinen halböffentlichen Charakter ein geschütztes Ambiente. Die Begrünung der Fassade sorgt für eine Verbesserung des Mikroklimas.

Rheinallee/Travestraße

Architektur

Nach einer energetischen Sanierung kann der Gebäudebestand an der Travestraße in ähnlicher Bauweise wie an der Vennhofallee mit Holzmodulen flexibel erweitert, bzw. nach Bedarf aufgestockt und für Wohnzwecke genutzt werden. Alle Dächer sollen begrünt werden.
Durch die Schaffung eines Kulturzentrums im ehemaligen Sparkassengebäude und einer Bühne vor dem Café Wölke, erhält das Quartier eine ganz eigene Haltung.

Die Vision: Der Indoor Flohmarkt hat auch Theaterkostüme und Requisiten im Sortiment und das Café Wölke entwickelt sich zum Kultur-Café Wölke. Ein Co-Working-Space für Kulturschaffende entsteht und eine Musikschule zieht ein.

Die Vernetzung mit den rückwärtigen baulichen Strukturen wird durch den Abbruch eines Baukörpers an der Innenecke des Platzes erleichtert.

Freiraum

Der Ansatz beim Stadtteilzentrum Rheinallee resultiert aus der Analyse der Bewegungsmuster der Menschen: Die Aktivierung und Attraktivierung der Ladenzeile hängt zusammen mit der Frequenz und Geschwindigkeit, mit der sich Personen durch den Stadtraum bewegen. Der motorisierte Verkehr soll in diesem Bereich auf 30 km/h begrenzt werden. Radfahrer und Fußgänger sollen ohne Konfliktpunkt durch kreuzende KFZ den Raum erleben können. Daher werden die Stellplätze aus dem Platzraum in den Straßenraum verlagert.

Prägend für den Quartiersbereich sind die großen bestehenden Eichen – sie sollen als Kulisse für eine durch eine Sitzkante ausgeprägte Bühne fungieren – die Bühne soll durch Laienschauspielgruppen, Kindertheater, Solokünstler, Musikgruppen etc. genutzt werden können. Gleichzeitig wird der Wurzelbereich der Bestandsbäume entsiegelt. Durch die Verlagerung des Höhenunterschieds wird es möglich, die Terrasse und den Eingang des bestehenden Cafés barrierefrei zu erreichen.

Die Platzfläche selbst wird entsiegelt und durch in einem Partizipationsprozess entwickelte Sennestadtperlen aufgewertet – ein Ansatz ist schon durch private Initiative im Raum vorhanden – ein Spielbereich wertet den Platzraum auf. Ein Baumhain über wassergebundener Fläche ermöglicht informelle, gesellige Interaktion. Eine Perle mit biodiverser Pflanzung stellt einen grünen Blickfang dar.
Im östlichen Bereich wird die Platzfläche entsiegelt.

 

 


 

Hier gehts zur 360°-Ansicht der Vennhoffallee.

Hier gehts zur 360°-Ansicht der Rheinallee/Travestraße.

 

Ort

Bielefeld

Entwurf

2021

Visualisierung

bhp Architekten