Ursula Pasch im Interview mit Vera Wiehe über Entwicklungen und Frauenkarrieren in der Architektur
„Man muss es wollen und sich an Menschen orientieren, die es geschafft haben.“

Ursula Pasch, © Bernhard Pierel/ WESTFALEN-BLATT
Das vollständige Interview mit Ursula Pasch und Vera Wiehe gibt es auf www.frauenkarrieren-owl.de
Wie ist die Karrieresituation für Frauen im Bereich Architektur?
Die Situation in den Architekturbüros ist gut, da MitarbeiterInnen gesucht und flexible Arbeitszeitmodelle und Homeoffice angeboten werden. Der Anteil der weiblichen Studierenden liegt mittlerweile auch bei mehr als 50 Prozent.
Bei uns im Büro sind von den 46 Mitarbeitenden, 26 weiblich und 20 männlich. Ein Teil unserer MitarbeiterInnen kommt nach der Elternzeit zunächst mit 20 – 30 Stunden die Woche zurück, um dann nach und nach die Arbeitszeit wieder zu erhöhen. Wir haben aber auch gute Beispiele dafür, dass Frauen in Vollzeit zurückkehren und ihre Männer zu Hause bleiben. Da ist eine intensive Entwicklung im Gang, in der z.B. zunehmend ArchitektInnen in der Bauleitung aktiv werden, obwohl die Bauindustrie, das Bauen selbst, eben doch noch eine Männerdomäne ist.
Eine wichtige Basis dafür ist, dass Frauen das gleiche Gehalt wie die Männer erhalten. Wir versuchen, objektiv nach Leistung zu entlohnen. Wenn sich ein Mann allerdings beim Einstellungsgespräch deutlich besser verkauft hat, bleibt die Differenz zu seiner weiblichen Mitbewerberin über die Probezeit hinaus meistens noch eine Weile bestehen.
Was haben sie für Empfehlungen für Frauen, die in ihrem Bereich Karriere machen wollen?
Die Qualifikation ist sehr wichtig, also sollte nicht nur der Bachelorabschluss angestrebt werden, sondern ein Masterstudiengang abgeschlossen werden.
Wer die klassischen Bereiche der Architektur studiert und sich dabei breit aufstellt, nach rechts und links schaut, hat eine gute Grundlage. Extrem wichtig ist die Praxisorientierung, d. h. in Architekturbüros oder auf den Baustellen Erfahrung zu sammeln, Theorie und Praxis zu verzahnen.
Gestaltungswillen und Leidenschaft sind neben einer gewissen Frustrationstoleranz Eigenschaften, die man mitbringen muss. Das Allerwichtigste ist aber, wie fast überall, Sozialkompetenz und Kommunikationsfähigkeit.
Falls der Wunsch besteht, sich selbständig zu machen, muss man akzeptieren, dass es leider nicht den perfekten Zeitpunkt gibt, da die Gründung eines Büros und die Familienplanung in der Regel zusammenfallen. Der Architekturberuf ist sehr anspruchsvoll, hat wenig Routinearbeiten und ist in Teilzeit als Selbstständige kaum zu bewältigen. Er lässt er sich mit eigener Kinderbetreuung nicht wirklich vereinbaren. Ohne gute Netzwerke und Unterstützung aus der Familie wird es nicht gehen. Man muss es wirklich wollen und mit einem schlechten Gewissen den Kindern gegenüber leben lernen.
Auffällig viele erfolgreiche Architektinnen führen ein Büro mit ihrem Lebenspartner und bekommen Beruf und Familie so besser unter einen Hut. Der Anteil der Frauen in der Selbständigkeit ist ansonsten immer noch denkbar gering.
Allerdings bin ich zuversichtlich, dass die jungen Frauen, die heute Architektur studieren neue Strategien entwickeln, die es ihnen erlauben, ihr kreatives Potenzial ohne Behinderung durch überholte Geschlechtervorstellungen voll zu entfalten.